Ich habe es schon gesagt: Es geht nicht um Online oder Print. Es geht um viel mehr.
Das Netz hat auf historisch einzigartige Weise die Art verändert, wie wir die Welt wahrnehmen. Dem müssen wir als Journalistinnen Rechnung tragen - oder untergehen.
Es gibt keine absolute Wahrheit. Keine in Stein gehauene Geschichte, die man nur aufdecken muss. Das, was wir täglich von der Welt mitbekommen, sind Inszenierungen, Wechselspiele, Spiegelkabinette. Das weiss man heute, wo Millionen von Menschen publizieren können, so gut wie nie zuvor.
Wer das Gegenteil behauptet, verliert seine Glaubwürdigkeit, und er verliert das Vertrauen des Publikums. Darum müssen wir endlich aufhören so zu tun, als beschrieben wir eine einzig gültige Wahrheit. Und stattdessen die Bühnen beschreiben, auf denen unsere Geschichten spielen.
Die Bühne zeigen
Wir müssen erzählen, woher wir die Idee für einen Text haben. Wie wir uns auf die Suche nach Tatsachen und Meinungen machen, was uns auf dieser Reise begegnet. Wo wir unsicher sind, wo wir uns aufregen, wo wir uns mit Kommunikationsleuten streiten, zu welchem Schluss wir kommen. Wer uns bedroht, zu beeinflussen versucht, unterstützt.
Das ist kein Narzissmus. Es ist die einzige Art, ehrlichen Journalismus zu machen. Einen Journalismus, der gleichzeitig mutig ist und demütig angesichts der Komplexität der Welt. Es gibt Leute, die mögen Online-Liveticker nicht. Ich mag sie gerne, weil sie dem Theater so wunderbar nahe kommen.
Schluss mit dem Geschrei
Ich kann es nicht beweisen. Aber ich bin sicher, dass sich die Menschen inmitten dieser wirbelnden Welt nach Ruhe sehnen.[/highlight] Und dass sie darum genug davon haben, wenn Journalisten sich lautstark empören. Dass sie lieber Geschichten lesen, die einfach ruhig beschreiben, was auf der Bühne passiert. Wer hinter der Bühne Regie führt, Gesichter schminkt oder den Ablauf stört. Geschichten, die sich nicht in einer Schlagzeile zusammenfassen lassen.
Journalisten sind nicht mehr Herren, die streng im Namen des Volkes urteilen. Sie wissen im besten Fall besonders gut, dass Wirklichkeit inszeniert ist. Sie haben im besten Fall eine gute Menschenkenntnis, wache Sinne, genügend Zeit, um eine Weile zuzuschauen. Nicht weniger. Aber auch nicht mehr.
P. S. Der Medienjournalist Matthew Ingram hat dazu einen der besten Aufsätze geschrieben, die ich gelesen habe. Mit dem grossartig treffenden Titel "Why newspapers need to lose the view from nowhere".