Heute habe ich mit D. gefrühstückt. D. ist ein sehr glücklicher Mensch, und das hat einen einfachen Grund: Er denkt sich schöne Geschichten aus. Er erzählt sich seine eigene Welt in wunderbaren Anekdoten.
Ich denke viel darüber nach, was Menschen zufrieden macht. Folgendes habe ich darüber herausgefunden. Selbstverständlich nicht als erste.
Zufriedenheit hat nur ein bisschen damit zu tun, was dort draussen tatsächlich und faktisch geschieht. Aber sehr viel damit, wie wir es wahrnehmen.
Erstaunlich viele Menschen glauben irrtümlicherweise, das Leben liesse sich ganz objektiv erfassen. Dem ist nicht so. Es gibt keinen allgemeingültigen Massstab dafür, wie traurig oder froh ein Ereignis ist. Schmerz lässt sich ebensowenig messen, wie sich eine Farbe definieren lässt. Es geschieht ein bisschen was dort draussen. Und ganz viel in unseren Köpfen. Wir malen uns unsere Welt.
Wie wir sie malen, das haben wir gelernt. Über Jahre hinweg, vom ersten Tag an. Wir hören, welche Farbe unsere Eltern rot nennen und welches Gefühl sie als Wut bezeichnen. Wir hören Märchen, Witze, Referenzen, Erzählungen, Nachrichten, Gerüchte – und lernen, worauf wir zu achten haben, was normal ist und wie die Dinge offenbar liegen. Die Macht der Erzählungen ist dabei so stark, dass sie manchmal sogar das eigene Empfinden übertüncht: Wenn alle anderen Menschen in einem Raum behaupten, es sei kalt, zweifelt der schwitzende Eine oft eher an sich selber als an der Geschichte. Es gibt zahlreiche Studien dazu.
Jedenfalls. Zufriedenheit kommt davon, dass man sich die Welt als aufmunternde Geschichte erzählt. Darum ist D. wie gesagt so zufrieden. Obwohl er sehr klug ist. Klug genug, um von all dem Elend zu wissen. Er baut es einfach ein in seine Geschichte, und dann zaubert er frech ein glückliches Ende.