Streber, die wir sind, diskutieren die Herren in meinem Team und ich über Mittag meist Fragen wie diese: Was bringen Milliardenstrafen für JPMorgan? Was ist mit der Moral? Und warum eigentlich ist Prinzessin Letizia von Spanien so dünn geworden?
Meine Antworten: 1. Viel. 2. Nichts ist mit der Moral. 3. Die Schwiegermutter.
Lassen wir 3. mal beiseite. Im Grunde dreht sich alles irgendwann immer darum, was man von einem Rechtsstaat erwarten darf und muss.
In Bezug auf Unternehmen gibt es zwei Dinge, die ein Staat tun muss.
Erstens muss er sicherstellen, dass ein fairer Wettkampf möglich ist. Keine Absprachen, keine Korruption, keine Quersubventionierung. Das bedeutet paradoxerweise, sich mit Unternehmen anzulegen. Denn die schreien zwar auf der Bühne lautstark nach dem “freien Markt”, doch hinter den Kulissen treibt sie die wirtschaftliche Logik genau in die andere Richtung: Sie versuchen, sich Monopole zu sichern, politische und gesetzliche Vorteile, Subventionen. Das ist nicht unmoralisch, das ist folgerichtig: Ein guter Unternehmer muss seine Erträge zu steigern und seine Kosten zu senken versuchen. Unmoralisch ist ein Staat, der sich erweichen lässt. Seine Aufgabe ist nämlich eine fundamental andere als die des Unternehmers: Er muss dafür sorgen, dass sich Einsatz lohnt, das Spiel Spass macht und das Land eine Zukunft hat. Wenn sich eine Investition in drei Lobbyisten mehr lohnt als jene in drei junge Ingenieure, dann läuft etwas falsch.
Zweitens muss er Preisschilder aufkleben, wenn sie abgefallen sind. Unternehmen versuchen gerne, Kosten auszugliedern an die Gesellschaft. Auch das ist nicht unmoralisch*, sondern folgerichtig. Am deutlichsten und extremsten ist das Beispiel der Banken, die ihre Risiken an die Staaten und Zentralbanken auslagern; andere Themen sind Umweltverschmutzung, verunfallte Angestellte, geschädigte Kunden. Unternehmen tragen nicht alle Kosten, die sie verursachen. Wenn die Gemeinschaft etwas als essenziell für das Wirtschaftsspiel und/oder für die Zukunft des Landes erachtet, muss sie nicht gross über Moral diskutieren, sondern die Etiketten verteilen: Soviel für Öl im Fluss, Soviel für Lügen gegenüber Kunden, Soviel für verlorene Daten. Das macht die Kosten sichtbar, ohne das ganze hübsche Spiel durcheinander zu bringen und in für alle anstrengende Ideologie-Diskussionen abzudriften.
Darum: Ja, die Milliardenstrafe für JPMorgan nützt etwas. Auch wenn sie vielleicht gar nie nötig geworden wäre, wenn man sich in den U. S. of A. an den ersten Grundsatz gehalten und Bear Stearns hätte untergehen lassen. Aber eben.
*Moment. Ich habe da nochmal drüber nachgedacht: Doch, das ist unmoralisch. Oder vielmehr höchst unreif. Ich habe schon als Kleinkind gelernt, dass man nach dem Spielen nicht eine Riesensauerei hinterlässt – und dann auch noch behauptet, man sei’s nicht gewesen. Aber nun denn. So ist er halt, der Mensch. Vor allem, wenn er gleichzeitig über verdammt viel nachdenken muss. Und wenn das Mami dann halt eben doch immer selber aufgeräumt hat. Diskutieren hilft da nicht viel, gestraft muss werden.