Ein goldenes Näschen

Mit dem klassischen Osterhasen verzückt Lindt und Sprüngli die Menschen. Wie gelingt es ihr, die Preise hoch und die Konkurrenz in Schach zu halten?

Wenn man ihn lange genug anschaut, mit seinem Babyköpfchen, dem Schnäuzchen, den Pfoten, dann sieht man es. Man weiß es. Diese Äuglein. Der Goldhase ist nicht harmlos. Dass man ihn trotzdem mitnimmt, ihn herzt und küsst sogar, das ist die Macht von Lindt – der Schoggifabrik. Und ihrem unerschütterlich gut gelaunten Direktor.

Die Lindt und Sprüngli AG in Kilchberg am Zürichsee ist eine Schweizer Vorzeigefirma. Jeden Frühling präsentiert Geschäftsführer Ernst Tanner den neusten Millionengewinn. 272 Millionen Franken für 2012, dann 303 Millionen, dann 343 Millionen. Lindt verdient sehr, sehr viel Geld. Der Aktienkurs steigt und steigt. Das Erstaunliche ist: Man hasst die Firma nicht dafür. Über Nestlé rümpft man gerne die Nase, die amerikanischen Großkonzerne werden sowieso verachtet. Nicht Lindt. Wenn sich ihr Chef wie dieses Jahr zur Osterzeit grinsend in einen goldenen Lindt-Smart setzt, zwei alberne riesige Hasenohren am Heck, dann freuen sich die Menschen.

Das liegt an drei Dingen. Erstens macht Lindt ordentliche Schokolade. Nicht exquisit, aber gut genug. Zweitens hat CEO Tanner Lindt zu einer Marke gemacht wie einst die Swissair, bekannt bis nach Manhattan, Katar und Shenzhen. Wir sind stolz auf sie. Vor allem aber, drittens: Lindt kämpft zwar gnadenlos und mit geschlossenen Reihen – doch so, dass man es als Konsument nicht merkt.

"Vor vielen Jahren sah ein Lindt-Maître-Chocolatier, wie seine Tochter – fasziniert von einem Hasen – in Tränen ausbrach, als dieser davonhüpfte. Gerührt von seinem Kind, schuf er den Goldhasen: einen, der nicht weghoppeln konnte!" So, grob übersetzt, geht die Geschichte vom Goldhasen in Amerika.

Der Schokoladenmarkt ist einer der härtesten der Welt. Der Hauptrohstoff wächst in so prekären Staaten wie der Elfenbeinküste und Ghana. Potenzielle Ernteausfälle, politische Unruhen, Streiks, Währungsschwankungen gehören zum Geschäft. Die Maschinen sind teuer, Wege und Kühllager ebenfalls, und um die Ware schließlich zu verkaufen, braucht es nicht nur gigantische Werbebudgets, sondern auch Verhandlungsmacht gegenüber den Detailhändlern. Alltagsschokolade ist ein schon fast lächerlich typisches Produkt des Kapitalismus: Nur mit massenweise Geld und riesigen Mengen bringt man sie überhaupt bis ins Regal. Wo die Konsumenten sie möglichst bunt und billig abgreifen wollen. Darum lauern Großkonzerne ständig auf schwächelnde kleine Hersteller, verkaufswillige Erben, erschöpfte Konkurrenten. Das hier ist ein Spiel für Riesen.

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(01.04.2015)

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